Korrekturlesen oder Korrektur lesen?

Onkel Duden auf einer Parkbank in Hamburg (eigene Aufnahme)

Wie wird dieser Ausdruck richtig geschrieben, zusammen oder getrennt? Mit Fragen wie dieser (und dem Korrekturlesen an sich) verdiene ich mein täglich Brot. Gerne nehme ich Sie in diesem Beitrag mit auf eine Reise in die Tiefen der deutschen Rechtschreibung.

Schauen wir uns zunächst an, um welche Wortarten es sich hier handelt: «Die Korrektur» ist ein Substantiv (Nomen), «lesen» hingegen ein Verb, da es sich konjugieren lässt (ich lese, du liest, sie liest).

Als Faustregel kann man sich merken: Solche Verbindungen aus Substantiven und Verben schreibt man grundsätzlich getrennt. Geläufige Beispiele sind:

  • Ich fahre Auto (Auto fahren) und nicht: Ich fahre auto (falsch: autofahren)
  • Du machst mir Angst (Angst machen) und nicht: Du machst mir angst (falsch: angstmachen)
  • Er gibt Bescheid (Bescheid geben) und nicht: Er gibt bescheid (falsch: bescheidgeben)

Dasselbe gilt für unser «Korrektur lesen». Es muss also heissen:

  • Ich lese deinen Text Korrektur und nicht: Ich lese deinen Text korrektur (falsch: korrekturlesen).

So weit, so gut. Um die Sache doch noch etwas komplizierter zu machen: Es gibt durchaus Verbindungen zwischen Substantiv und Verb, da ist es genau anders herum. Das Paradebeispiel ist «teilnehmen» (ich nehme teil). Weitere Beispiele:

  • Ich laufe eis (eislaufen) und nicht: Ich laufe Eis (falsch: Eis laufen)
  • Deine Welt steht kopf (kopfstehen) und nicht: Deine Welt steht Kopf (falsch: Kopf stehen).
  • Es nimmt dich wunder (wundernehmen) und nicht: Es nimmt dich Wunder (falsch: Wunder nehmen)

Leider liefert Onkel Duden eine schwammige Erklärung hierfür: Die Substantive seien «verblasst» und ihre ursprüngliche Bedeutung sei nicht mehr klar erkennbar. Für die Beispiele oben heisst das, dass sie inhaltlich nicht mehr viel mit den Substantiven «der Teil», «das Eis», «der Kopf» und «das Wunder» zu tun haben. In der Rechtschreibung werden sie folglich als Verbzusätze behandelt, also gleich wie zum Beispiel «vor-» in «vorlesen» (sie liest vor), «um-» in «umparkieren» (du parkierst dein Auto um) oder «an-» in «anrufen» (ich rufe dich später an). Daher rührt auch die Kleinschreibung des verblassten Substantivs.

Aber Achtung: Werden solche Ausdrücke als Substantiv verwendet, schreibt man sie gross und zusammen: das Eislaufen, das Autofahren, das Korrekturlesen. In der Fachsprache nennen wir das Substantivierung oder Nominalisierung.

So sind – je nach Verwendung im Satz – beide Schreibweisen aus dem Titel dieses Beitrags richtig.


Sie möchten sich nicht mit Fragen wie dieser herumschlagen und die Rechtschreibung dem Profi überlassen? Kontaktieren Sie mich unter der Nummer 077 452 06 48 oder via E-Mail: shana.graf@gmx.ch


Quellen:

  • Gallmann, P. & Lindauer, T. (Hrsg.): Schweizer Schülerduden Rechtschreibung (10. Auflage 2020). Zürich: Dudenverlag/Lehrmittelverlag Zürich. Die Duden-Rechtschreibregeln sind online abrufbar unter diesem Link.
  • Heuer, W., Flückiger, M. & Gallmann, P. (2010): Richtiges Deutsch. Vollständige Grammatik und Rechtschreiblehre unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtschreibreform (29., überarbeitete Auflage). Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung.